5.2. Die Geschichte der St. Vitus Kirche zu Breitenworbis

Das wichtigste Ereignis im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts war für die Gemeinde von Breitenworbis, ein Werk, welches ein beharrliches, bleibendes Denkmal für ihren Opfersinn und ihren Glauben ist. Schon seit geraumer Zeit plante die Gemeinde von Breitenworbis den Bau einer neuen, stilgerechteren Kirche, da die alte Kirche nach Ende des 30jährigen Krieges baufällig geworden war und unter anderem Schäden von dem Krieg trug, jedoch mussten die Bürger die Kosten ihrer neuen Kirche selbst finanzieren. Da man damals nicht einschätzen konnte, welche Größe die Kirche haben sollte, rief man alle Männer aus der Gemeinde zusammen, die sich in einem Kreis aufstellten, sich bei der Hand nahmen, und somit die Größe der Kirche bestimmten.

1674 begann man mit ersten Steinbrechungen am Mittelberg um gutes und trockenes Material zu bekommen. Die zu dieser Zeit lebenden 710 Seelen halfen mit beim Transport der Steine und beim Bau der Kirche. Mit Tragebahren und Schiebekarren wurden die schweren Steine vom Mittelberg bis in das Dorf transportiert. Bis in das Jahr 1680 kam es zu zeitweiligen Stillständen, jedoch wurden die Arbeiten nicht abgebrochen. Der eigentliche Bau der Kirche begann 1681. Die Sankt Vitus Kirche wurde von dem italienischen Baumeister, Antonio Petrini, der auch das Franziskanerkloster in Worbis errichtet hat, erbaut. Seine italienische Bauweise war sehr abwechslungsreich, weil er die Baukunst aus seinem Land übernahm, im Eichsfeld umsetzte und somit den Stil der Kirchen und Klöster auflockerte. Die Einfassungssteine für die Kirchentüren und die Galeriesteine des Turmes wurden in Brehme gebrochen. Das Dach sowie das Mauerwerk wurden abgerissen, bis auf die Sakristei, und die darin befindlichen Steine zum Neubau wiederverwendet. Das Tannenholz, das für die Zimmerarbeiten am Dachstuhl benötigt wurde, wurde aus Lauterberg am Harz nach Breitenworbis transportiert. 1683 war das Mauerwerk der Kirche, einschließlich des Chorgewölbes vollendet.

In den Jahren 1684 und 1685 wurden das Mannhaus und der Kirchturm gerichtet. Zu der damaligen Zeit mussten Männer und Frauen getrennt sitzen und so war das Mannhaus Pflicht, sowie die Erhöhung des Mannhauses, da die Männer ranghöher als die Frauen waren. Am 26. Juni 1685 fand die Einweihung der Kirche, des Hochaltars und der beiden Nebenaltäre durch den Erfurter Weihbischof Daniel Gudenus statt. Der Hochaltar wurde zu Ehren des Heiligen Vitus, der Schutzpatron der Gemeinde, der rechte Nebenaltar des heiligen Sebastianus, Johannes und Paulus und der linke zu Ehren der Mutter Gottes errichtet. 1687 wurden wenig neue Arbeiten an der Kirche unternommen.

Um den Turm befand sich eine offene Galerie nach italienischer Weise, die nach kurzer Zeit Spuren von Verwitterungen zeigte, auf die der italienische Meister nicht gefasst war. Der Grund für diese Verwitterungen war das regnerische, feuchte Klima des Eichsfeldes. Darauf hin musste die Galerie überdacht werden, um noch schlimmere Schäden verhindern zu können, was aber erst 1692 in Angriff genommen wurde.

Die große Kirchtür wurde 1690 von dem Meister Johann hergestellt. Am vorderen Eingang folgte nach der großen Kirchtür eine kleinere Tür, die als Windfang dienen sollte. Die Kirche besitzt drei Ein -und Ausgänge, welche auch heute noch vorhanden sind. Jedoch ist es unbekannt ob die Kirche auch schon damals diese Ein- und Ausgänge besaß, da es in keinem Dokument erwähnt wurde. Zwei Jahre später fand die Fertigstellung des Holztonnengewölbes und des Barockturmes statt. 1698 wurde von Meister Berg in Heiligenstadt die heutige Kanzel erbaut und hat geschwungene Säulen wie der Annenaltar, der sich in der Südnische des Turmes befindet. Die Kanzel ist eines der künstlerisch wertvollen Ausstattungsstücke der St. Vituskirche. Sie ist mit einer Treppe verbunden, auf der man zu der Kanzel gelangt. Die Erbauung eines Ossuarium ( Gebeinhaus) wurde 1699 in angriff genommen. Bereits 1697 wurde der Bau abgeschlossen, nachdem man einige Verfeinerungen am Außengebäude vorgenommen hatte. Die Kirche erstreckte sich in der Länge von 38 Metern, in der Breite von 12 Metern und in der Höhe von 15 Metern.

Von nun an konzentrierte man sich auf die innere Fertigstellung der Kirche. 1726/1727 bekam die Kirche eine neue Orgel. Diese Orgel machte jedoch der Gemeinde einige Probleme, denn schon in den Jahren 1809 und 1810 mussten größere Reparaturen vorgenommen werden. Schon nach 13 Jahren erfolgte eine Erneute, die auf Kosten der Gemeinde ging. 1824 wurde eine zweite größere Reparatur in Angriff genommen. Die Letzte stellte sich als eine verpfuschte Arbeit heraus und 1875 musste die Orgel erneut nachgebessert werden! Die Kosten von diesen unendlichen Reparaturen waren erheblich. Man kam auf eine Summe von 4000 Talern. Allein von diesem Geld hätte man sich eine richtig schöne Orgel kaufen können!

Der jetzige Hochaltar wurde 1728 von Meister Jakob Geburzki erbaut und wurde für den schmalen gewölbten Chorraum konzipiert. Der Hochaltar ist nur sparsam vergoldet und noch nahezu vollständig erhalten. Er ist streng gegliedert, hat einen pyramidalen Aufbau aus hohem, von Türen durchbrochenem und reich gegliedertem Postament ( Unterbau). Weiterhin besitzt er einen Mittelteil mit je drei gestaffelt angeordneten, nach der Art der Antike gestalteten Säulen, die das über der Mitte geschweifte, reich profilierte Gebälk tragen.

Die Innenansicht der ST. Vitus Kirche in Breitenworbis

 

Die jetzt vorhandenen Altarbilder sind in den Jahren 1858 von Meister Hunold in Heiligenstadt gemahlt.1762 kamen Statuen des heiligen Andreas und Jakobus, die seitlich am Tabernakel errichtet wurden, und vier Engelfiguren hinzu. In dem Jahr 1812 wurden erneute Ausbesserungen an Altären und Tabernakel durchgeführt. Die großen Säulen des Hochaltares erhielten eine Abrundung und neue Staffierungen durch einen Tischler im Jahre 1849, das nach 37 Jahren ein zweites Mal wiederholt wurde. Ein neuer Taufstein kam erst 1887 in die Kirche, nachdem an dem alten Taufstein zu viele Erneuerungen durchgeführt werden mussten.

Am interessantesten in der Kirche ist die reiche alte Bemalung des Deckengewölbes, die recht gut erhalten ist. Das Ganze stellt den Himmel und das Jüngste Gericht gar. Die zahlreichen Spruchbänder enthalten Bibelsprüche in gotischer Minuskelschrift. Die Gesamtheit der Einrichtungsstücke macht einen durchaus einheitlichen Eindruck. Die unter Denkmalschutz stehende Gewölbemalerei ist mit Kaseinfarben bemalt.

Zwei Beichtstühle, welche aus den Jahren 1789 und 1790 stammen, wurden vermutlich von dem Bildhauer Petri in Heiligenstadt gefertigt. Der eine enthält das Bild des heiligen Petrus und befindet sich neben dem Hochaltar, der andere enthält Maria Magdalena mit Totenkopf und befindet sich auf der rechten Seite am Vordereingang.

Es sind noch vier Kelche vorhanden dessen Entstehungszeit unbekannt ist, bis auf einen, der mit der Jahreszahl 1722 versehen war. Der Fuß und die Hälfte des Kelchteiles sind mit einem reichen Rokokogerank ohne figürlichen Schmuck versehen. In den späteren Jahren wurden noch einige andere Kelche dazugekauft. Des weiteren sind an Altargeräten noch vorhanden: eine Monstranz, die Silber vergoldet ist, am Birnennodus sind zwischen Blattwerk Hüftbilder der vier Evangelisten mit ihren Attributen angeordnet, die aus dem Zeitraum um 1700 bis 1750 stammen; ein Rauchfass, das Silber, mit Blumengerank und Engelköpfen, sowie einer Inschrift am Fuße: "Monasterium Cyriaci 1727", versehen ist; ein Schiffchen, das Silber, schlicht, der obere Teil muschelartig, der Deckel mit eingraviertem Blumengerank und eingraviertem heiligen Cyriakus und einer Inschrift am Fuße: "X. M. C.S. 1727" und " S. Cyriakus Diac. et Mart", ebenfalls versehen ist. Beide Gegenstände, Rauchfass und Schiffchen, sollen aus dem St. Cyriakuskloster zu Erfurt stammen.

Der Stationsweg, der sich in der Kirche befindet, ist ein Geschenk der Jungfrau Katharina Grosse und wurde am 24. April 1884 errichtet. Er zeigt den Weg Jesu von seiner Gefangennahme bis hin zu seinem Tod. In den Jahren 1890, 1894 und 1896 wurden die Statuen der schmerzhaften Mutter Gottes, des heiligen Vitus und der Heiligen Familie in Sankt Ulrich, Tirol, geschnitzt.

1872 bekam die Kirche einen Blitzableiter, nachdem es schon zwei mal eingeschlagen hatte. Das erste Mal war am 14. Juli 1758 in den Turm, wobei die Orgel sehr beschädigt wurde. Beim zweiten Mal, an einem Sonntag, dem 13. Juni 1784 zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr, in Chor am Hochaltar hinunter. Dabei wurden zwei Engel und ein Apostel zerstört. Bis zu dieser Zeit besaß die Kirche eine große Glocke, die aber 1860 zersprang und neu gegossen werden musste. Der Grund für diese Beschädigung war das schwere Gewicht der Glocke von 25 Zentnern. Deshalb konnte man sie nur sehr selten zum Vorleuten von Gottesdiensten benutzen. Sie trug die Inschrift: "Den heiligen Apostelfürsten Petri und Pauli", die ihnen zu Ehren gegossen wurde. 23 Jahre später wurden noch zwei weitere kleine Glocken gegossen. Im Kriegsjahr 1917 mussten Glockenmetalle zu anderen Zwecken beschlagnahmt werden. Am 06. Juli 1917 bis zum 24. Juni kam der Befehl, das die mittlere Glocke abzunehmen sei. Darauf hin brach große Trauer in der Gemeinde aus. Es wurde eine Glockenabschiedspredigt am 22. Juli für die mittlerste Glocke gehalten.

Weitere Zerstörungen von Glocken folgten, wie zum Beispiel, die am 26. Juli zerstörte kleine Glocke. Nach einiger Zeit war der Wunsch der Bürger nach neuen Glocken immer größer geworden, dass man zwei neue Schwesterglocken in Auftrag gab. Jedoch gab es im Jahr 1942 erneute Probleme mit den Glocken. Nationalsozialisten entfernten zwei der drei Bronzeglocken und schmolzen sie ein. Die Dritte wurde nach Birkungen verkauft. Aber schon 14 Jahre später kaufte man vier neue Stahlglocken, die in Apolda gegossen wurden. Die große Glocke hatte einen Durchmesser von 188 cm, wog 2.845 kg und ihr Hauptton war cis. Ihr Name war "Maria Königin". Die drei weiteren Glocken hießen " Barbara", "Herz Jesu" und " Theresia". In dem Jahr 1907 bekam die Kirche eine neue Kirchenuhr mit vier Zifferblättern und zwei neuen Uhrglocken. Noch bevor man die neue Kirche erbaute, forschte man auf dem Kirchhof und fand Knochenreste mit Holzkohle gemischt. Offenbar war der Kirchplatz ursprünglich eine heidnische Opferstätte gewesen. Um die Kirche herum befand sich die Begräbnisstätte. Da aber dieser Platz nicht ausreiche, wurde ein Grundstück westlich vom Dorf an der Hauptstraße erkauft und dient auch heute noch als Begräbnisplatz, der vor kurzer Zeit (1999) neu hergerichtet wurde. In der Mitte des Friedhofes befindet sich ein Leichenschauhaus. Noch heute existiert die Sankt Vitus Kirche und erfüllt weiterhin ihre Aufgabe, den katholischen Bürgern von Breitenworbis als Versammlungsort für ihre Gottesdienste und andere Ereignisse zu dienen. Weiterhin ist sie auch ein Symbol für ihren Opfersinn, denn demnächst soll die Kirche neu verputzt werden und einen neuen Kirchturm bekommen. Da die Kosten für diese Erneuerung erheblich hoch sind, beteiligt sich die Gemeinde an den Kosten.

 

zurück         Top